DiÖ – Cluster B – Beitrag – Ergebnis
Nun sag: Wie hast du’s mit … "Tomaten" und "Paradeiser"?
Von Ost bis West, von Nord bis Süd, von Wallern im Burgenland bis Feldkirch in Vorarlberg und vom niederösterreichischen Gmünd bis Klagenfurt in Kärnten: An die 700 Personen aus ganz Österreich haben an unserer ersten Wortschatz-Umfrage teilgenommen und mit uns „Besondere Wörter“ gesammelt. Es wurden Lückentexte ausgefüllt, Bilder beschrieben, Aussagen bewertet – und das im ganzen Land von Alt und Jung.
Wir waren etwa auf der Suche nach „Namen“ für ein sehr beliebtes (Frucht-)Gemüse, das das Land spaltet – und das nicht nur was den Geschmack betrifft – sondern auch seine Benennung. „Wie nennen Sie das abgebildete Gemüse?“, haben wir die teilnehmenden Personen in unserem Fragebogen gefragt, um mehr zur Verwendung der Wörter Paradeiser und Tomaten herauszufinden.
Die ausgewerteten Antworten der vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben ergeben, dass sich die verschiedenen Regionen in Österreich deutlich voneinander unterscheiden, was die Bezeichnung des (Frucht-)Gemüses betrifft. Wir haben die Unterschiede für Sie auf den beiden Karten grafisch dargestellt.
Die erste Karte zeigt die gesammelten Antworten zur Benennung des roten Gemüses im Dialekt oder der Umgangssprache. Im Kontrast dazu steht die zweite Karte, auf welcher man die Antworten auf die Frage nach der Bezeichnung im besten Hochdeutsch sehen kann. Die beiden Karten eint, dass sich die Paradeiser-Nennungen hauptsächlich auf den Osten Österreichs verteilen, mit Niederösterreich und Wien als „Hochburgen“ von Paradeiser. Im Dialekt und in der Umgangssprache (Karte 1) machen Paradeiser-Nennungen in Wien fast die Hälfte der Belege aus. In vielen niederösterreichischen und burgenländischen Gegenden ist Paradeiser die alleinig genannte Bezeichnung. Nach Westen hin und gegen Süden dünnen sich die Paradeiser-Belege dagegen aber stark aus: In Vorarlberg und Tirol ist Paradeiser eine Ausnahmeerscheinung, verwendet wird dort fast ausschließlich die Bezeichnung Tomate. Selbiges gilt für die Bundesländer Salzburg und Kärnten. Es zeigt sich also ein starkes Ost-West-Gefälle für die Verwendung von Paradeiser und Tomaten.
Vergleicht man die beiden Karten, stellt sich das Paradeiser-Gebiet auf der Hochdeutsch-Karte deutlich verkleinert dar. Während Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Mittel- und Südburgenland, der Südoststeiermark und Oberösterreich im Dialekt oder ihrer Umgangssprache oft Paradeiser verwenden, wählen jeweils dieselben Personen in ihrem besten Hochdeutsch die Bezeichnung Tomate. Sprachwissenschaftlich gesprochen kann hier „intraindividuelle Variation“ beobachtet werden. Damit meint man unterschiedliches Sprachverhalten bei ein- und derselben Person je nach Situation oder Sprechlage.
Dass es um das Wort Paradeis(er) aber gar nicht so schlecht bestellt ist, wie von einer Gewährsperson unserer Umfrage befürchtet (s. dazu Sprechblase rechts), bestätigen nicht nur unsere Ergebnisse, sondern auch ein Vergleich mit den Daten des „Austrian Media Corpus“ (‚Österreichisches Medienkorpus‘, AMC).
Das AMC ist eine riesige Textdatenbank, in der Ausgaben nahezu aller österreichischen Zeitungstexte (Printmedien) der letzten Jahrzehnte archiviert sind und die aktuell rund 45 Millionen Artikel mit 11 Milliarden Wörter umfasst. Es handelt sich also um eine wahre Sprach-Schatzkiste! Durchsucht man das AMC nach den Bezeichnungen Tomate(n) und Paradeis(er) zeigt sich, dass in österreichischen Zeitungstexten zwar mehrheitlich die Benennung Tomate verwendet wird (59%), aber Paradeis(er) mit 41% an Treffern dennoch recht präsent ist – und das relativ konstant über die letzten 30 Jahre, in denen der Gebrauch im AMC dokumentiert ist (s. Abb.1).
Die Rückmeldung dieses Teilnehmers (s. Sprechblase rechts) haben wir uns besonders zu Herzen genommen, es gerne als Aufforderung verstanden und sofort zum Anlass genommen, einen neuen Fragebogen zu erarbeiten. Wir freuen uns, wenn Sie auch an unserer aktuellen Umfrage „Wort-Schätze“ teilnehmen, und wir Ihnen recht bald wieder neue Einblicke zur Sprache in Österreich geben können.
Hier finden Sie unsere aktuellen Umfragen und Mitmach-Möglichkeiten.
In: DiÖ-Online.
URL: https://www.dioe.at/artikel/2935
[Zugriff: 13.11.2024]